“OZ - Marktplatz” - 14.02.2009

Trainieren statt pauken

Kinder stehen in der Schule früh unter Erfolgsdruck. Ein Rostocker Student bietet Alternativen zur Nachhilfe an – Johanna Akkermann hat er geholfen.

Von JAN EISEL

Stadtmitte. Die Schulen verlangen von den Kindern, sich zu entscheiden. Früh heißt es schon: Regionalschule oder Gymnasium, Latein oder Französisch?

„Ich habe Latein gemacht, weil in meiner Familie alle Latein gemacht haben“, sagt Johanna (13). Ob sie mit Französisch mehr Glück gehabt hätte, weiß sie nicht. Latein macht ihr jedenfalls keinen Spaß. „Die Lehrerin unterrichtet einfach nichts, wenn alle quatschen“, sagt sie. Die Klasse sei zu groß. Sie verlor den Anschluss und jeder Lateintest wurde zur Qual.

Johannas Eltern wurden zum Lehrergespräch eingeladen. „Uns wurde eröffnet, dass Johanna bei Versetzungsgefährdung die Schule verlassen müsse, weil sie ohne Empfehlung auf das Gymnasium gekommen ist“, sagt ihre Mutter Anja Akkermann.

Die Mutter wollte ihrer Tochter helfen und machte sich Gedanken über Nachhilfe. „Für mich ist das Ziel, dass Johanna Freude am Lernen hat und dass ihr die Fächer zugänglicher werden“, sagt sie. Als Kind habe man oft andere Ziele. Selbst Heilerzieherin, machte sich Akkermann schlau über mögliche Nachhilfevarianten. „Es sollte alltagstauglich und kein Frontalunterricht sein“, sagt sie.

Der 28 Jahre alte Rostocker Lehramtsstudent Tom Beyer bot ihr statt Nachhilfe als Alternative Lerntraining an. „Für mich stellte sich die Frage, wieman besser lernen kann“, sagt Beyer. Er meint, dass Schulprobleme häufig Probleme sekundärer Natur sind. „Ich setze mich mit den Eltern zusammen und wir legen alle Fakten auf den Tisch“, sagt er. Es wurde nicht nur der Notenstand betrachtet,sondern auch über die Persönlichkeit Johannas gesprochen. „Wir haben gemeinsam Ziele festgelegt, wowir hin wollen“, sagt Beyer. Johanna hat mitentschieden. „Ich wollte das erste Halbjahr schaffen“, sagt sie. Ihr sei klar geworden, dass sie sich ändern müsse.

Beyer unterrichtet sie aber nicht selbst, sondern vermittelte ihr einen passenden Lehrer. „Die machen bei mir einen Probeunterricht“, sagt er. „Ich muss sehen, ob jeder fähig ist.“ Denn offizielle Qualitätskontrollen gebe es in der Nachhilfebranche nicht, sagt er.

Anja Akkermann gefiel das Konzept. „Es ist gut, dass der passende Lehrer auf das Kind hin ausgesucht wird“, sagt sie. In Johannas Fall wurde die 21 Jahre alte Lehramtsstudentin Dörte Räder ihre Lerntrainerin. „Lerntraining heißt, dass ich auf unterschiedlichen Wegen Wissen erfrage und Johanna nur zur Lösung führe“, sagt sie. Sie bekomme nichts vorgesetzt.

„In der Schule fühle ich mich oft nicht einbezogen“, sagt Johanna. Aber im Einzelunterricht sei sie der Mittelpunkt. Das könne die Schule nicht bieten. In die Ferien ging Johanna sorgenfrei – sie ist nicht mehr versetzungsgefährdet.

Internet: www.lernerfolg-werkstatt.de

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